Erfolgsgeschichten des Grundeinkommens
Wie es Leben verändert hat
Das Grundeinkommen: Erfolgsgeschichten weltweit
Das bedingungslose Grundeinkommen (BGE) hat in den letzten Jahrzehnten weltweit nicht nur theoretische Diskussionen angestoßen, sondern auch konkrete Veränderungen im Leben vieler Menschen bewirkt. Pilotprojekte und Initiativen haben gezeigt, dass das Grundeinkommen nicht nur ein Konzept ist, sondern eine echte Möglichkeit, soziale Gerechtigkeit zu fördern, Armut zu bekämpfen und das individuelle Wohlbefinden zu steigern. In diesem Artikel werfen wir einen detaillierten Blick auf einige der bemerkenswertesten Erfolgsgeschichten des Grundeinkommens weltweit.
Das Mincome-Experiment in Kanada (1974-1979)
Das Mincome-Experiment in der kanadischen Stadt Dauphin, Manitoba, ist eine der bekanntesten Erfolgsgeschichten im Bereich des Grundeinkommens. Zwischen 1974 und 1979 erhielten etwa 1.000 Haushalte in Dauphin ein garantiertes Einkommen, unabhängig von ihrem sonstigen Verdienst.
Ergebnisse und Auswirkungen: Die Ergebnisse des Experiments waren beeindruckend. Die Gesundheitskosten sanken um etwa 8,5 %, da weniger Menschen ins Krankenhaus eingeliefert wurden. Psychische Erkrankungen und stressbedingte Leiden gingen zurück, da die finanzielle Unsicherheit abnahm. Zudem stieg die Schulabschlussrate, da Jugendliche nicht gezwungen waren, die Schule abzubrechen, um zum Familieneinkommen beizutragen. Das Mincome-Experiment zeigte, dass ein Grundeinkommen nicht nur die wirtschaftliche Sicherheit erhöht, sondern auch das allgemeine Wohlbefinden und die soziale Stabilität fördert.
Otjivero-Omitara, Namibia (2008-2009)
In Otjivero-Omitara, einem kleinen Dorf in Namibia, wurde 2008 ein Pilotprojekt für ein bedingungsloses Grundeinkommen gestartet. Jeder Einwohner des Dorfes erhielt monatlich 100 namibische Dollar (ca. 10 US-Dollar) als Grundeinkommen, unabhängig von anderen Einkünften oder Beschäftigung.
Ergebnisse und Auswirkungen: Das Projekt hatte bemerkenswerte Auswirkungen auf das Dorf. Die Armutsrate sank von 76 % auf 37 %. Die Ernährungssituation verbesserte sich erheblich, und die Kinderbesuchsquote in den Schulen stieg auf fast 100 %. Zusätzlich erhöhte sich das Unternehmertum im Dorf, da die Einwohner die Möglichkeit hatten, kleine Geschäfte zu eröffnen. Dies trug zur wirtschaftlichen Entwicklung der Region bei und zeigte, wie ein Grundeinkommen nicht nur Armut verringern, sondern auch wirtschaftliche Aktivität und sozialen Zusammenhalt fördern kann.
Finnland (2017-2018)
Finnland führte zwischen 2017 und 2018 ein viel beachtetes Experiment durch, bei dem 2.000 zufällig ausgewählte Arbeitslose ein bedingungsloses Grundeinkommen von 560 Euro pro Monat erhielten. Dieses Einkommen wurde ohne Bedingungen ausgezahlt und ersetzte teilweise bestehende Sozialleistungen.
Ergebnisse und Auswirkungen: Die Ergebnisse des Experiments waren in vielerlei Hinsicht positiv. Die Teilnehmer berichteten von einer verbesserten psychischen Gesundheit und einem höheren Maß an Lebenszufriedenheit. Obwohl sich die Beschäftigungsrate nicht signifikant erhöhte, zeigten die Teilnehmer eine höhere Motivation, eine Anstellung zu finden, da sie weniger unter dem Druck standen, sofort irgendeinen Job annehmen zu müssen. Das Experiment in Finnland trug dazu bei, das öffentliche Bewusstsein für das Grundeinkommen zu schärfen und die politische Debatte in Europa weiter voranzutreiben.
GiveDirectly in Kenia (seit 2016)
Die NGO GiveDirectly startete 2016 ein Grundeinkommensprojekt in Kenia, das bis heute andauert. In diesem Langzeitexperiment erhalten rund 20.000 Menschen in verschiedenen ländlichen Gemeinden ein bedingungsloses Grundeinkommen. Die Teilnehmer erhalten etwa 22 US-Dollar pro Monat, was etwa der Armutsgrenze in Kenia entspricht.
Ergebnisse und Auswirkungen: Das Projekt hat bisher gezeigt, dass das Grundeinkommen die wirtschaftliche Aktivität in den Dörfern erhöht hat. Die Empfänger haben in ihre Häuser investiert, kleine Unternehmen gegründet und die Schulbildung ihrer Kinder verbessert. Das Grundeinkommen hat auch dazu beigetragen, die finanzielle Stabilität und das Wohlbefinden der Empfänger zu verbessern, da sie nun weniger von unsicheren und saisonalen Einkommensquellen abhängig sind. Das Projekt in Kenia ist eines der umfangreichsten laufenden Experimente und bietet wertvolle Einblicke in die langfristigen Auswirkungen eines bedingungslosen Grundeinkommens.
Alaska Permanent Fund (seit 1982)
Obwohl der Alaska Permanent Fund nicht als klassisches Grundeinkommen betrachtet wird, bietet er doch einige der Grundzüge eines solchen Modells. Seit 1982 erhält jeder Bewohner Alaskas eine jährliche Dividende, die aus den Erlösen des Ölhandels gespeist wird. Diese Zahlungen variieren je nach Jahr, haben aber in der Vergangenheit zwischen 1.000 und 2.000 US-Dollar pro Person betragen.
Ergebnisse und Auswirkungen: Der Alaska Permanent Fund hat dazu beigetragen, die wirtschaftliche Ungleichheit im Staat zu verringern. Die jährlichen Auszahlungen haben insbesondere den Menschen in ländlichen und wirtschaftlich schwächeren Gebieten geholfen, über die Runden zu kommen und ihre Lebensqualität zu verbessern. Studien haben gezeigt, dass diese Zahlungen nicht zu einem Rückgang der Arbeitsbeteiligung geführt haben, sondern vielmehr die finanzielle Sicherheit der Bevölkerung erhöht haben.
Indien: Grundeinkommensexperimente in Madhya Pradesh (2011-2012)
In Indien führten das Self Employed Women's Association (SEWA) und UNICEF zwischen 2011 und 2012 ein Pilotprojekt in Madhya Pradesh durch, bei dem mehrere Dörfer ein bedingungsloses Grundeinkommen erhielten. Jeder Erwachsene erhielt monatlich 200 Rupien (ca. 3 US-Dollar), während Kinder 100 Rupien (ca. 1,50 US-Dollar) erhielten.
Ergebnisse und Auswirkungen: Die gesundheitliche Versorgung und Ernährungssituation in den Dörfern verbesserten sich deutlich. Die Empfänger investierten in die Verbesserung ihrer Häuser, in den Kauf von Nutzvieh und in die Schulbildung ihrer Kinder. Ein bemerkenswerter Aspekt des Experiments war der Anstieg des Unternehmertums, da viele Menschen das Grundeinkommen nutzten, um kleine Unternehmen zu gründen. Dies führte zu einer positiven wirtschaftlichen Dynamik in den teilnehmenden Gemeinden.
Utrecht, Niederlande (2017-2019)
Die Stadt Utrecht in den Niederlanden führte zwischen 2017 und 2019 ein Experiment durch, bei dem Sozialhilfeempfänger ein bedingungsloses Grundeinkommen erhielten. Ziel des Experiments war es, herauszufinden, wie sich ein garantiertes Einkommen auf die Beschäftigung, das Wohlbefinden und die Integration in die Gesellschaft auswirkt.
Ergebnisse und Auswirkungen: Die Empfänger erlebten weniger Stress und mehr Zufriedenheit im Alltag. Obwohl die Auswirkungen auf die Beschäftigung nicht signifikant waren, zeigte sich, dass die Empfänger motivierter waren, eine sinnvolle Beschäftigung zu suchen, die ihren Fähigkeiten und Interessen entsprach.
Mein Grundeinkommen e.V., Deutschland (seit 2014)
Der gemeinnützige Verein „Mein Grundeinkommen“ wurde 2014 in Deutschland gegründet und hat seitdem über Crowdfunding mehr als 800 bedingungslose Grundeinkommen in Höhe von 1.000 Euro pro Monat für ein Jahr verlost.
Ergebnisse und Auswirkungen: Die Gewinner berichten von positiven Effekten, wie Weiterbildung, neuen beruflichen Möglichkeiten und mehr Zeit für Familie oder kreative Projekte. Das Projekt hat die öffentliche Debatte über das Grundeinkommen in Deutschland intensiviert.
Stockton, Kalifornien (2019-2021)
In der US-Stadt Stockton wurde 2019 ein Pilotprojekt unter dem Namen „Stockton Economic Empowerment Demonstration (SEED)“ gestartet. 125 zufällig ausgewählte Einwohner mit niedrigem Einkommen erhielten über 24 Monate hinweg 500 US-Dollar pro Monat.
Ergebnisse und Auswirkungen: Das SEED-Projekt reduzierte den Stress der Teilnehmer erheblich und ermöglichte es ihnen, Schulden abzubauen, Teilzeitjobs anzunehmen oder sich auf Weiterbildung zu konzentrieren.
Schweizer Volksabstimmung über das Grundeinkommen (2016)
Die Schweiz hielt 2016 eine Volksabstimmung über die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens ab. Obwohl der Vorschlag abgelehnt wurde, erhielt er 23,1 % der Stimmen und führte weltweit zu intensiven Debatten.
Experimente in Spanien während der COVID-19-Pandemie (2020)
Spanien führte während der COVID-19-Pandemie ein bedingungsloses Grundeinkommen für besonders betroffene Haushalte ein. Das „Ingreso Mínimo Vital“ (IMV) stabilisierte das Einkommen von Hunderttausenden und milderte die schlimmsten Auswirkungen der Pandemie.
Experiment in Maricá, Brasilien (seit 2019)
In Maricá wurde 2019 ein Pilotprojekt gestartet, das alle Einwohner der Stadt umfasst. Sie erhalten eine monatliche Zahlung in der lokalen Währung „Mumbuca“, die zur Deckung ihrer Grundbedürfnisse dient.
Ergebnisse und Auswirkungen: Das Projekt verringerte die Armut, stärkte die lokale Wirtschaft und bot den Menschen mehr Sicherheit und Stabilität.
Die globale Wirkung des Grundeinkommens
Die hier vorgestellten Erfolgsgeschichten zeigen, dass das Grundeinkommen weit mehr ist als nur eine theoretische Idee. Es hat das Potenzial, das Leben der Menschen zu verbessern, indem es finanzielle Sicherheit bietet, Armut reduziert und die sozialen und wirtschaftlichen Chancen erweitert. Während die Diskussion über das Grundeinkommen weltweit weitergeht, bieten diese realen Beispiele wertvolle Einblicke in die praktischen Auswirkungen und Möglichkeiten eines solchen Modells.
Das Grundeinkommen ist nicht nur ein Mittel zur Bekämpfung von Armut und Ungleichheit, sondern auch ein Weg, den Menschen mehr Freiheit und Selbstbestimmung in ihrem Leben zu ermöglichen. Die positiven Ergebnisse aus den Pilotprojekten und Experimenten weltweit zeigen, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen eine ernsthafte Lösung für einige der drängendsten sozialen und wirtschaftlichen Probleme unserer Zeit sein könnte. Es bleibt spannend zu beobachten, wie sich diese Idee weiterentwickelt und welche Rolle sie in der Zukunft unserer Gesellschaften spielen wird.